Uruguay / Argentinien II: Paradiese für Strandpiraten und Stadtindianer

Abschalten! am Cabo Polonio

Der Cabo Polonio in Uruguay gehört ganz sicher zu den Top 10 meiner Reise! Man erreicht den kleinen Ort ohne Elektrizität und geteerte Straßen mit Jeeps, die sich durch Sandmassen schieben, und muss sich erst mal die Augen reiben, weil man nicht glaubt, dass die verhutzelten Häuschen um den Leuchtturm, die Sanddünen, der blaue Himmel und die beiden kilometerlangen Strände Wirklichkeit sind. Zum Glück aber doch! Denn so liegt man nachts in der Hängematte über dem Sand, außer dem Meeresrauschen herrscht absolute Stille, der Mond scheint fast taghell und trotzdem sieht man die Sterne ganz hell leuchten. Denn außer ein paar Kerzen gibt es weit und breit kein Streulicht. Und über allem flattert die Fahne mit „Libertad o Muerte“ (Freiheit oder Tod!, dem Motto der uruguayischen Unabhängigkeitskämpfer aus dem 19Jhd.) an der der Wind passender Weise „Muerte“ schon abgefetzt hat und nur noch die Freiheit übrig bleibt. Tagsüber gibt es nicht anderes zu tun, als weiter in der Hängematte zu liegen oder die Sanddünen zu erkunden. Sollte ich jemals ein Burnout erleiden (diese Möglichkeit liegt zurzeit in sehr, sehr weiter Ferne), hier würde ich ihn sicherlich ruckzuck auskurieren! Nach 3 Tagen habe ich den Cabo verlassen, um meine Neugier auf die ach so tolle Hauptstadt Argentiniens, Buenos Aires zu stillen. Anfangs war ich ja noch skeptisch, da mich der Hype um die Stadt eher abschreckte als anzog aber nach einem sonntäglichen Streifzug durch San Telmo und seinen Flohmarkt bei strahlend blauem Himmel musste ich mir eingestehen, dass die Stadt wirklich gar nicht so schlecht war und nach ein paar Tagen hatte mich die Buenos Airitis voll erwischt… Stundenlang kann man auf Entdeckungstour durch die verschiedenen Viertel gehen, die voller alter schicker oder runtergekommener Häuser, Neubauten, Verkehrschaos, netten Cafés, wunderschönen schattigen Plätzen, Märkten, Geschäften und netten Porteños (so werden die Einwohner von Buenos Aires genannt) sind und überall Spuren vom Tango oder von den von mir heiß geliebten argentinischen Schriftstellern Borges und Cortázar sowie anderen Argentinischen Berühmtheiten (Evita, Ché und Co) finden. Für Retrojunkies gibt es obendrein unzählige kleine Geschäfte voll mit Antiquitäten und Vintageklamotten und beim Stöbern treten einem die Tränen in die Augen, denn leider kann man nichts von all den Kostbarkeiten in den kleinen Rucksack quetschen. Aber zum Trost kann man sich dann in eines der schönen Cafés setzen und die wunderschöne Inneneinrichtung und die Leute anstaunen. Auch an spannenden Ausstellungen habe ich mich in den Museen und Galerien für Moderne Kunst und Fotografie vollgesogen, bis mir die Beine und die Augen wehtaten. Und nach einem regen Nachtleben braucht man in Buenos Aires auch nicht lange zu suchen. Aber da ist Ausdauer gefragt, denn hier geht man noch später aus als in Berlin, quasi dann, wenn der normale Mensch morgens aufsteht. Ein netter Kellner, den ich zufällig kennen lernte, als ich noch halb verschlafen morgens auf einem Platz saß, hat mich obendrein noch einen Abend an seinen Arbeitsplatz, einer Tangoshow mit Schikimickiessen und Pipapo in einem herausgeputzten Kellergewölbe mit Gold überall eingeladen. Es war ein großer Spaß die Besucher zu beobachten, die alle im Gegensatz zu mir dem Anlass angemessen gekleidet waren (ich habe einfach nichts Schickes zum Anziehen in meinem Rucksack) und die Tangotänzerinnen in ihren raffinierten und immer wechselnden Kleidern anzustaunen, während sie die beeindruckensten Schrittkombinationen raushauen… Wow! Leider ist es in Buenos Aires auch nicht anders als in anderen Großstädten und manchmal hat man einfach Pech, wenn man mal 2 Minuten abgelenkt ist. So wurde mir doch echt glatt mein Rucksack beim Essen quasi zwischen den Füßen weggeklaut! Ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus und muss lustig ausgesehen haben. Zum Glück war außer allem möglichen Zettelkram, meinem Notizbuch, diversem sinnlosen Zeug, ein paar Bustickets, die wir zum Glück noch einmal ausgedruckt bekommen haben und meiner Antizähneknirschbeißschiene nichts wirklich wichtiges in meinem Rucksack drin und ich bin froh, dass ich so noch einmal vorgewarnt wurde besser auf meine Sachen zu achten. Der Verlust meines Notizbuchs ist allerdings hart. Und es ist eine ekelige Vorstellung, dass jemand meine intimen zu Papier gebrachten Gedanken erst spazieren trägt und dann wegen ihrer „Nutzlosigkeit“ in den Müll schmeißt… Aber der Besuch auf der Polizeiwache zwischen milchbärtigen Azubipolizisten, lustigen Vorgesetztenportraits an den Wänden, streunenden Katzen und von Boxkämpfen plärrenden Fernsehern war wieder so unterhaltsam, dass der Ärger über den Verlust bald schon vergessen war… Als Fabi dann kam war ich aber auch froh, als es nach 10 Tagen endlich wieder aus Buenos Aires raus gen Norden ging, schließlich hat Argentinien noch so viel mehr zu bieten…